Friday, October 21, 2005

Rezensionen Herbst 2005: Frog Pockets, Murcof, Boards of Canada

Frog Pockets / Gonglot / Planet Mu ZIQ 097 CD

Dies ist das Debutalbum des Schotten John Charles Wilson. Sein Titel Gonglot klingt mittelalterlich, als ginge es um eine Heldensage aus alten Zeiten. Das Cover, das winterliche Baumkronen in einer hellen Mondnacht zeigt, gespenstisch hell beleuchtet, aber zauberhaft warm, unterstreicht den Phantasy-Aspekt dieser CD. Stilistisch kriegst du eine IDM-CD vor deine Ohren, deren Vielfalt mich verblüfft und vom Genre, das ich mittlerweile für recht langweilig halte, von neuem überzeugt. Hey, da kommt ja noch was! Der erste Track klingt nach Toypiano, der zweite bringt dann eine zwar gängige aber hier wirkungsvoll eingesetzte IDM-Stereotype ins Spiel: Verdrehte und verzogene Breakbeats und darüber (oder drunter?) harmonisch warme Klangflächen, deren Herkunft immer wieder durchscheint und zu erstaunen vermag: Ich glaube stellenweise Dudelsäcke (Track 6) zu hören, Mandolinen, Streichinstrumente, ... Im dritten Track wird klar, dass Wilson alte Instrumente zuhauf verwendet und damit mit einem Bein tief in der Tradition keltischer Musik steht, mit dem andern Bein in der Elektronik. Geschickt wechselt Frog Pocket dauernd das Standbein, verschiebt das Gewicht gekonnt zwischen IDM und Soundscapes hin und her, die durchsetzt sind von keltischen Motiven und Weisen. Doch, doch, da kommt wirklich noch was!

Murcof / Remembranza / Leaf BAY 47 CD

Was soll man dazu schreiben, ohne sofort Verdacht zu wecken, dass man übertreibt? Der 35-jährige Fernando Corona aus Mexico alias Murcof macht mit die beste Musik, die es gegenwärtig auf diesem Planeten gibt. Das deutete sich bereits auf seinem Erstling Martes an, Remembranza übertrifft alle meine hohen Erwartungen. Was macht diese Musik aus? Zuvorderst die Editierkunst von Fernando Corona. Wie auf Martes verwendet er viele Sounds von Streichern und editiert sie mit rhytmischen Glitches, die klingen, als würdest du ECM-Platten von Minimalisten auflegen und den Tonabnehmer mit Druck in die Rille hineinsetzen und wieder hinaus ziehen. Er verschmilzt mit diesen Effekten digitale Glitches und warme, emotionale Klänge, wie man das seit Trip Hop oder Drum'n'Bass kaum mehr gehört hat - ausser vielleicht bei Vladislav Delay. Die neun Tracks auf diesem Album sind alle samt spannend, die Effekte bzw. Murcofs Ton- und Soundsprache erschöpfen sich nicht. Ein Meisterwerk!

Boards of Canada / Campfire Headphase / Warp 143

An der Musik von Boards of Canada hat sich seit der letzten CD nicht viel verändert: Du hörst möglicherweise mehr klangprägende Gitarren Drums, aber noch immer ist da diese prägende Wärme, dieser Folk von vor 20 oder 30 Jahren mit der Patina des Tausendmal in deinen Träumen gehört habens. Erzeugt durch allerlei Effekte des Verwischens und Zerknitterns. Als wären diese Sounds wieder und wieder auf analogen Tonbandmaschinen überspielt worden. Du hörst die Spuren der Zeit, die Verwesung, die Erosion der Klänge einer vergangenen Zeit.

Mehr Rezensionen auf meiner Website: Die Welt der Zeichen

0 Comments:

Post a Comment

<< Home